Shopping-App Temu: Unsichere Produkte und schlechte Erfahrungen | NOZ (2024)

Wer sich durch die sozialen Netzwerke bewegt, kommt kaum an Werbung für die Shopping-App Temu vorbei. Temu verspricht, dass Sie dort einkaufen können „wie Milliardäre“. Dabei wirbt der Online-Marktplatz mit verschiedenen Produkten zu extrem niedrigen Preisen: eine Smart-Watch für 16 Euro, Airpods für 5 Euro oder ein Paar schwarze Socken für 39 Cent. Verkauft wird alles von elektronischen Geräten über Kleidung bis hin zu Wohnaccessoires, Küchen- oder Beautyprodukten – versandkostenfrei. Die Preise sind so niedrig, dass man sich fragt, ob es sich bei Temu um einen Fake-Shop handelt.

Was ist Temu?

Dem ist nicht so. Temu ist eine digitale Shopping-Plattform, die nach eigenen Angaben 2022 in Boston, Massachusetts gegründet wurde. In den USA gehört Temu neben Amazon und Shein inzwischen zu den erfolgreichsten Online-Marktplätzen und auch in Europa ist die App auf dem Vormarsch. In Deutschland ging sie im April 2023 an den Start.

Wer dort bestellt, sollte wirklich etwas geliefert bekommen – und zwar ohne Zwischenhändler direkt vom Hersteller. Anders als bei Amazon betreibt Temu keine Warenlager, sondern fungiert nur als Shopping-Marktplatz.

Im Impressum der Website von Temu ist auch ein Unternehmen angegeben:Die Whaleco Technology Limited. Diese sitzt für den deutschen Markt in Irland, hat ihre Ursprünge aber in China. Der Online-Marktplatz ist ein Tochterunternehmen des chinesischen E-Kommerz-Giganten Pinduoduo. Dieser verfügt über ein großes Netzwerk an chinesischen Produzenten und so kommt ein Großteil der Ware auf Temu direkt aus China.

Der Name Temu wird Ti-mu ausgesprochen und steht für „team up, price down“.

Wie funktioniert die Shopping-App Temu?

Damit ist gemeint, dass wenn man sich mit anderen zusammen tut, noch niedrigere Preise möglich sind. Im Klartext bedeutet das: Je mehr Freunde man zur App hinzufügt, je mehr Gutschein-Codes man einreicht und weitergibt und je mehr Käufer ein Produkt hat, desto günstiger wird der Preis.

Deshalb posten viele Influencer und Nutzer in den sozialen Medien Gutscheincodes für Temu.

Diese 7 Risiken sind mit Temu verbunden

Das klingt nicht nur für Schnäppchenjäger verlockend. Doch mit Temu sind eine Reihe von Problemen und Risiken verbunden, die man kennen sollte, bevor man sich die App aufs Handy lädt und dort etwas bestellt.

1. Die Produkte auf Temu können gefährlich sein – nicht nur für Kinder

Ähnlich wie auf den Plattformen Wish oder Alibaba werden auf Temu elektronische Produkte angeboten, die nicht daraufhin überprüft wurden, ob sie sicher sind. Sie tragen beispielsweise häufig nicht das CE-Zeichen oder wenn, dann ein gefälschtes.

Mehr Informationen:

Das CE-Zeichen

Das CE-Zeichen ist ein Hinweis darauf, dass ein Produkt vom Hersteller geprüft wurde und dass es alle EU-weiten Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz erfüllt. Es ist Pflicht für alle weltweit hergestellten Produkte, die in der EU vermarktet werden.

Der Verband Toys Industries of Europe (TIE) hat Ende 2023 in einem Testkauf 19 Spielzeuge über Temu erworben. 95 Prozent davon stellten ein Sicherheitsrisiko für Kinder dar, teilte der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DSVI) mit. Diese Ergebnisse seien alarmierend.

Keines der Spielzeuge entsprach demnach den geltenden Vor­schriften für Spielzeug in der EU, 18 entsprachen nicht den Spielnormen der EN 71-Reihe. So habe bei einem Schleim-Spielzeug der Gehalt des Halbmetalls Bor 11-mal höher als der gesetzliche Grenzwert für Spielzeug gelegen. Bei anderen Spielzeugen habe die Gefahr bestanden, dass Kinder an Kleinteilen ersticken oder sich verletzen könnten.

Auch bei Kleidungsstücken und Produkten, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie mit Schadstoffen belastet sind, die in der EU verboten sind.

Auch interessant: Temu: So gefährlich sind die Waren, die man in der Billig-Shopping-App kaufen kann

2. Man weiß nicht, bei wem man kauft

Wer auf Temu etwas kauft, schließt keinen Kaufvertrag mit der Plattform beziehungsweise mit der irischen Whaleco Technology Limited ab, sondern mit dem jeweiligen Anbieter, der das Produkt über Temu anbietet. Über den Anbieter erfährt man vor dem Kauf jedoch so gut wie nichts.

Die meisten Verkäufer haben ihren Sitz in China, was das Ganze noch undurchsichtiger macht. Bei einer solchen Konstellation ist es für Verbraucher sehr schwierig, ihre Rechte, beispielsweise im Fall einer Reklamation, durchzusetzen.

3. Temu verstößt gegen EU-Recht

Konsumenten innerhalb der EU steht ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Wie dieses Widerrufsrecht auszusehen hat, wie die Formulierungen lauten müssen und welche Ausschlüsse des Widerrufsrechts für Online-Shops möglich sind, all das ist streng geregelt. Abweichungen sind, wenn überhaupt, nur zugunsten der Konsumenten möglich. Diese Vorgaben werden bei Temu nach Angaben von Watchlist Internet gleich mehrfach verletzt.

So wird beispielsweise die Rückgabe von „von der Verpackung befreiten Kleidungsstücken“ oder „Artikeln, die als nicht umtauschbar gekennzeichnet sind“ ausgeschlossen. Das ist rechtlich allerdings gar nicht möglich.

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4. Erfahrungen der Nutzer mit Temu sind eher schlecht

Auf Bewertungsportalen wie Trustpilot berichten Käufer von teils minderwertiger Ware, die völlig unbrauchbar sei, von Problemen mit Rücksendungen und es gibt auch Berichte darüber, dass die bestellte Ware sehr lange unterwegs war oder gar nie angekommen sei.

Die Gesamtbewertung bei Trustpilot liegt bei 3,5 von 5 Sternen. Auffällig ist, dass fast alle 5-Sterne-Rezensionen mit Gutscheincodes versehen sind. Das stellt doch sehr infrage, ob es sich bei den sehr guten Bewertungen tatsächlich um authentische Nutzerbewertungen und nicht vielmehr um Werbemaßnahmen seitens Temu handelt.

Die Bewertungen zu Temu sind mehrheitlich entweder sehr gut oder extrem schlecht. Screenshot: Trustpilot

Shopping-App Temu: Unsichere Produkte und schlechte Erfahrungen | NOZ (5)

Shopping-App Temu: Unsichere Produkte und schlechte Erfahrungen | NOZ (6)

Auch in den USA gibt es Berichte über negative Nutzererfahrungen. Zudem hat das WDR-Magazin „Servicezeit“ einen Probeeinkauf bei Temu gemacht und dabei festgestellt, dass manche Produkte durch den Transport in einer dünnen Plastikhülle bei Ankunft bereits beschädigt waren. Außerdem fiel auf, dass Waren in Wirklichkeit viel kleiner waren als auf den Produktfotos.

Dazu kamen weitere Mängel: Bedienungsanleitungen für elektrische Produkte fehlten oder waren nicht in deutscher Sprache. Ein Autotür-Öffner funkte auf einer verbotenen Militärfrequenz, und eineSmartwatchentpuppte sich als ungesicherte Datenschleuder.

5. Fragwürdige Werbepraktiken

Nutzer berichten auch darüber, dass sie kurz nach der Registrierung bei der Onlineshopping-Plattform eine Flut an Werbe-Mails und ständig Benachrichtigungen auf dem Smartphone zu neuen Angeboten bekommen. Mit Spezialangeboten und spielerischen Elementen wird aggressiv zu Käufen animiert.

Für die einen ist das vielleicht nur lästig, andere könnten durch solche Praktiken in die Kaufsucht getrieben werden. In jedem Fall wird man dazu animiert, mehr zu kaufen als man möchte oder braucht.

Die Startseite von Temu ist voller Rabatt-Angebote. Foto: Eva Dorothée Schmid

Shopping-App Temu: Unsichere Produkte und schlechte Erfahrungen | NOZ (7)

Shopping-App Temu: Unsichere Produkte und schlechte Erfahrungen | NOZ (8)

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6. Für Einkäufe können zusätzliche Zoll- und Einfuhrumsatzsteuern anfallen

Wer außer­halb der EU online einkauft, muss mit einigen Über­raschungen rechnen. Dies betrifft neben den ungewissen Liefer­zeiten auch schwer zu kalkulierende Einfuhr­abgaben, die der Paket­dienst bei Lieferung verlangt. Zoll und Einfuhrumsatzsteuer können eine scheinbar güns­tige Online-Bestellung deutlich verteuern. Einfuhr­umsatz­steuer wird ab einem Warenwert von 5,26 Euro fällig, Zoll ab einem Waren­wert von 150 Euro.

Und bei einer Retoure ist es für die Käufer sehr aufwändig, diese Abgaben wieder zurück zu bekommen.

7. Temu verkauft möglicherweise persönliche Daten

Laut Verbraucherzentrale Bundesverband macht Temu keinen Hehl daraus, an personenbezogenen Daten interessiert zu sein und diese auchfür kommerzielle Zweckezu nutzen. Die App fordert sehr viele Zugriffe, zum Beispiel auf Kamera, Mikrofon, Fotos und das Adressbuch des Nutzers, die fürs Einkaufen gar nicht notwendig sind.Datenschutzexperten warnen deshalb davor, die Temu-App aufs Smartphone zu laden.

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Alles andere als nachhaltig

Dazu kommt, dass die Produkte von Arbeitern häufig unter schlimmsten Bedingungen hergestellt werden. Nachhaltigkeit und Umwelt- und Sozialstandards spielen dabei keine Rolle.

Problematisch ist auch der Umgang mit Retouren. Diese sind 90 Tage lang kostenlos möglich. Aber wo landet das für 2,23 Euro verkaufte T-Shirt, wenn es nach China zurückgeschickt wird? Mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach im Müll. Ob man das unterstützen möchte und mit seinem Gewissen vereinbaren kann, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Weiterlesen: Der Kauf-nix-Tag

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