Hitlers Frau: Eva Braun - Braut des Bösen (2024)

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Die Feldforschung zu den Feinheiten im Verhältnis zwischen Adolf Hitler und Eva Braun begann noch zu Lebzeiten des Diktators. Der "Führer" war ein Langschläfer, und wenn er am späten Vormittag sein Schlafzimmer mit der Verbindungstür zum Gemach Brauns verlassen und das Personal die Bettwäsche abgezogen hatte, beugten sich die neugierigen Angestellten über Laken und Bezüge - auf der Suche nach Indizien für das Geschehen der vergangenen Nacht.

"Wir haben damals in den Betten herumspioniert", gestand Jahrzehnte später der Verwalter des Berghofs, Herbert Döhring, einem Fernsehteam. Man habe aber nichts gefunden - woraus Waffen-SS-Mann Döhring schloss, das Verhältnis des Diktators zu der 23 Jahre jüngeren Frau müsse ein platonisches gewesen sein.

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Döhring zählte im "Dritten Reich" zu jenem kleinen Kreis Eingeweihter, die überhaupt von der Nähe Brauns zu Hitler wussten. Die Öffentlichkeit erfuhr erst nach Kriegsende, dass der Diktator über viele Jahre hinweg von einer attraktiven Blondine aus München begleitet worden war, die er Stunden vor dem gemeinsamen Freitod am 30. April 1945 im Berliner Führerbunker noch geehelicht hatte.

Die Geheimnistuerei beruhte auf politischem Kalkül. "Viele Frauen hängen an mir, weil ich unverheiratet bin", glaubte Hitler, "es ist so wie bei einem Filmschauspieler: Wenn er heiratet, verliert er für die ihn anhimmelnden Frauen ein gewisses Etwas, er ist nicht mehr so sehr ihr Idol."

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Entsprechend groß war denn auch die Neugier des Publiku*ms auf die Tochter eines Münchner Berufsschullehrers, die rund anderthalb Jahrzehnte an seiner Seite geweilt hatte - zumeist auf dem Berghof auf dem Obersalzberg, selten auch in Berlin. Doch bereits die ersten Antworten fielen ernüchternd aus. Der britische Historiker und Geheimdienstoffizier Hugh Trevor-Roper, der unmittelbar nach Kriegsende die Entourage Hitlers befragte, kam zu dem Schluss, Eva Braun sei "uninteressant". Und noch jeder bedeutende Hitler-Biograf hat diesen Befund bestätigt.

Aber stimmt er auch?

Die Berliner Historikerin Heike Görtemaker ist nun angetreten, das Bild zu korrigieren. Im renommierten Beck-Verlag legt sie die erste wissenschaftliche Biografie Brauns vor; populäre Darstellungen hatte es schon diverse gegeben.

Der streng akademische Ansatz lässt Görtemaker auf viele jener Anekdoten verzichten, über die sich das Publikum in den vergangenen Jahrzehnten gruselnd-schauernd amüsiert hatte. Etwa dass Eva Braun im Führerbunker angeblich geklagt habe, es gebe ständig Streit mit Adolf übers Essen. Der sendungsbewusste Vegetarier habe von ihr verlangt, ebenfalls nur noch Haferschleimsuppe oder Pilztunke zuzusprechen, was ihr zuwider gewesen sein soll ("Ich kann dieses Zeug nicht essen").

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Oder die Episode von den heimlichen Fußtritten Brauns gegen Hitlers Schäferhund Blondie, die eine Sekretärin des Diktators überliefert hat. Eva Braun sei auf den Hund eifersüchtig gewesen und habe sich über Blondies Gejaule nach der Misshandlung diebisch gefreut ("Adolf wundert sich dann über das närrische Benehmen des Tieres. Das ist meine Rache").

Heike Görtemaker hält von solchen "Lindenstraßen"-Versionen aus Hitlers Umfeld so wenig wie von der Bettwäschen-Analyse Döhrings. Die Historikerin geht von einem normalen, intimen Verhältnis aus, wie es Freundinnen und Verwandte Brauns später berichteten. Angeblich soll Eva gekichert haben, als sie ein Foto sah, das den britischen Premier Neville Chamberlain 1938 in Hitlers Münchner Wohnung auf dessen Sofa zeigte: "Wenn der wüsste, welche Geschichte dieses Sofa hat!"

Hitlers Frau: Ein Pol der Ruhe

Die Wissenschaftlerin nimmt die Figur ihres Buches ernst, und in dem von ihr aufbereiteten Material finden sich eindrückliche Hinweise dafür, dass Eva Braun für Hitler mehr war als ein "attraktives junges Ding", in dem der Diktator "trotz oder vielleicht gerade wegen ihres unscheinbaren und dümmlichen Aussehens die Art von Entspannung und Ruhe fand, die er suchte", wie Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann später behauptete.

Schon in dem Testament, das Hitler 1938 aufsetzte, benannte er Braun gleich nach der NSDAP. Die Partei sollte ihr aus seinem Vermögen lebenslang eine hohe Rente zahlen. Mehrfach notierte Propagandaminister und Hitler-Intimus Joseph Goebbels, wie sehr der Diktator die Freundin schätzte ("Ein kluges Mädchen, das für den Führer sehr viel bedeutet").

So wurde sie in die Planungen für den Umbau von Linz zur Kulturhauptstadt des "Führers" einbezogen, wo sich der gebürtige Österreicher mit ihr nach dem Endsieg zur Ruhe setzen wollte. Und wäre es nach ihm gegangen, hätte sie auch den Untergang überlebt. Immer wieder forderte er sie auf, sich aus dem eingekesselten Berlin nach Bayern ausfliegen zu lassen, was Eva Braun jedoch ablehnte. Hitler habe von ihr bis zum Schluss "mit großer Achtung und innerer Verehrung" gesprochen, bezeugte 1945 Albert Speer, Hitlers Kronprinz, in den ersten Aussagen gegenüber den Alliierten.

Dass Eva Braun dem Diktator etwas bedeutete, ist nicht so banal, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Vorstellung von ihr als belanglosem Anhängsel trug maßgeblich zu jenem Bild bei, nach dem der Mensch Hitler ganz im Politischen aufging. Die auflagenstarken Hitler-Biografen Joachim C. Fest, Sebastian Haffner und auch Ian Kershaw vermitteln eine solche Perspektive.

Ihrer Version nach verlief Hitlers Leben ohne Freunde, Liebe und Leidenschaft. Ein Leben, das sich leicht wegwerfen ließ und daher begleitet war von ständiger Selbstmordbereitschaft. Der Freitod im Bunker 1945 erschien da zumindest Haffner "wie selbstverständlich", und die Alles-oder-nichts-Politik, die Hitler bis in die totale Niederlage verfolgte, ließ sich im weiteren Sinne auch als Konsequenz der emotionalen Leere des Diktators deuten.

Heike Görtemaker vermeidet direkte Kritik an dieser Interpretation, aber dass ihre Darstellung die Frage nach der Psyche Hitlers neu aufwirft, liegt auf der Hand. Ihr Buch zeigt freilich auch, wie schwierig es sein wird, Antworten zu finden. Denn Hitler erteilte 1945 Befehl, alle privaten Unterlagen zu vernichten. Wahrscheinlich ist dem auch der Briefwechsel mit Eva Braun zum Opfer gefallen, den es nachweislich gab.

Die Historikerin kann daher nur auf einige Schreiben Brauns an Freundinnen und Verwandte zurückgreifen, zudem auf Fragmente eines Tagebuchs von 1935, dessen Echtheit umstritten ist; und natürlich auf die Aussagen von Hitlers Dienern, Leibwächtern, die des Chauffeurs oder diverser Nazi-Größen aus den Nachkriegsjahrzehnten, denen die Autorin zu Recht ein gesundes Misstrauen entgegenbringt. So zieht sich wie ein roter Faden Görtemakers Eingeständnis durch das Buch, dass sie viele Fragen nicht beantworten kann.

Schon der Anfang liegt im Halbdunkel. Offenbar traf Hitler 1929 die damals 17-jährige Braun im "NSDAP-Photohaus Hoffmann" in der Amalienstraße in München. Die auf Bildern kess wirkende junge Frau hatte zuvor eine Mädchenschule für Haushalts- und Büroführung besucht und verkaufte nun Fotobedarf. Ihr Chef - der Leibfotograf Hoffmann - zählte zu den Nazis der ersten Stunde. Der trinkfeste Antisemit machte mit Propagandafotos und Bildbänden ("Hitler, wie ihn keiner kennt") ein Vermögen.

Für den damals 40-jährigen Oppositionspolitiker Hitler gab es viele Gelegenheiten, bei Hoffmann vorbeizuschauen. Die Reichshauptgeschäftsstelle der NSDAP lag um die Ecke, auch die Redaktion des Hetzblatts "Völkischer Beobachter" und natürlich Hitlers Lieblingslokal, die Osteria Bavaria.

Wenn es stimmt, was Hoffmanns Tochter später erzählte, umgarnte der Parteichef den Teenager mit Wiener Schmäh ("Darf ich Sie in die Oper einladen, Fräulein Eva? Sehen Sie, ich bin immer von Männern umgeben, da weiß ich das Glück zu schätzen, mit einer Frau zusammen zu sein").

Gegenüber Frauen konnte der Massenmörder von einer ausgesuchten Höflichkeit sein, die nie ins Nachstellen abglitt. Und die unbedarfte Braun, die von der Filmwelt träumte und Modejournale liebte, erlag jener starken Suggestivkraft Hitlers, von der auch neutrale Beobachter berichteten. Schon bald soll der NSDAP-Chef Order erteilt haben, die Familie Braun auf jüdische Vorfahren zu überprüfen.

Wann aus dem Geplänkel eine Beziehung wurde, ist unbekannt. 1932 unternahm Eva Braun jedenfalls mit der Waffe ihres Vaters einen Selbstmordversuch. Manche Weggefährten argwöhnten, sie habe Hitler unter Druck setzen wollen, sich mehr um sie zu kümmern. Der oberste Nazi strebte in die Reichskanzlei, und es wäre der zweite Selbstmord einer jungen Frau gewesen, der mit ihm in Verbindung hätte gebracht werden können. Schon seine Nichte Geli Raubal hatte sich zuvor erschossen, vermutlich um dem Druck des eifersüchtigen Onkels zu entgehen.

Die junge Braun hingegen scheint unter einem Mangel an Aufmerksamkeit oder Anerkennung Hitlers gelitten zu haben. Der im bürgerlichen Leben gescheiterte Weltkriegsveteran führte auch nach der Machtübernahme 1933 ein Boheme-Leben. Oft blieb er tagelang dem Berliner Regierungsbetrieb fern. Er flanierte dann durch München, besuchte mit seiner zwielichtigen Entourage Opern und Theater und auch Baustellen, die dem Architekturliebhaber wichtig waren. Bei schönem Wetter fuhr die Truppe aufs Land, wo Eva oft dazustieß.

Sie hatte freilich gesondert mit den Sekretärinnen anzureisen. Bei den Spaziergängen war ihr Platz am Ende des Zuges. Gelegentlich übergab er ihr ganz offen ein Kuvert mit Bargeld - wie in "amerikanischen Gangsterfilmen" (Speer).

Hitlers Frau: Die "Privatsekretärin"

1935 unternahm Braun mit Schlaftabletten einen weiteren Selbstmordversuch, und manches spricht dafür, dass erst danach die Beziehung enger wurde. Hitler finanzierte ihr eine Wohnung und später ein Haus in München, so dass sie endlich bei den Eltern ausziehen konnte. Sie wuchs in die Rolle der Hausherrin auf dem Berghof hinein, auf dem Hitler auch im Krieg oft viele Wochen weilte. Offiziell firmierte sie als "Privatsekretärin". Doch irgendwann duzten sie sich sogar vor Dritten.

Das Versteckspiel vor der Öffentlichkeit behielt der Diktator freilich bei. Nur eine Aufnahme des Paares entging der Zensur und wurde publik. Sie zeigt Hitler bei den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen 1936, und Braun sitzt in der Reihe hinter ihm.

Trotz der Verschleierungstaktik sickerte in der alliierten Presse durch, dass Hitler eine Freundin namens Braun hat. Ende 1939 berichtete das US-Magazin "Time" davon. In Deutschland blieb es hingegen ein Geheimnis, und vermutlich lag Hitler mit seiner Annahme richtig, dass ein Bekanntwerden des Liebesverhältnisses dem "Führer"-Mythos abträglich gewesen wäre.

Reinhard Spitzy jedenfalls, glühender Nazi und Mitarbeiter des damaligen Botschafters in London, Joachim Ribbentrop, war erstaunt, als auf dem Berghof plötzlich eine ihm unbekannte junge Frau ein Gespräch zwischen Ribbentrop und Hitler unterbrach - mit dem Hinweis, die Männer sollten "doch endlich" zum Essen kommen. Ein Kollege klärte Spitzy über Brauns Position auf. Spitzy war erschüttert. Er hatte Hitler "in Askese" gewähnt, "erhaben über Sex und Lust". Stattdessen lebte sein Heros wie alle anderen.

Eva Braun fotografierte und filmte gern und ließ sich auch gern ablichten. Die von ihr überlieferten Fotoalben und Filme zeigen eine unbekümmerte, sportliche und extrovertierte Frau, die im Badeanzug posierte und ihre Schwester sogar beim Nacktbaden filmte. Sie habe nicht dem "Ideal eines deutschen Mädchens" entsprochen, klagte nach dem Krieg ein SS-Mann. Kaum sei der "Führer" in der Limousine vom Berghof gerollt, habe Braun mit Freundinnen "die ersten Vorbereitungen für mancherlei Amüsem*nts getroffen". Party auf dem Berghof.

Solche Aussagen passen in das Bild von der unpolitischen Entourage, das alle Beteiligten - vom Diener bis zu Albert Speer - nach dem Krieg zeichneten und in das Eva Braun sich nahtlos einzufügen schien. Auf dem Obersalzberg galt angeblich die Regel, in Anwesenheit von Frauen dürfe nicht über Politik gesprochen werden. Mode, Hundeaufzucht, Operetten - das seien die Themen gewesen.

Es fällt Biografin Görtemaker nicht schwer, Argumente gegen die Ausschließlichkeit dieser Version ins Feld zu führen. Schon ein Blick in Brauns Fotoalben, in denen sich Aufnahmen finden, die sie am 23. August 1939 gemacht hat, genügt: Der inzwischen zum Außenminister aufgestiegene Ribbentrop verhandelte an jenem Tag in Moskau mit Stalin über eine Aufteilung Osteuropas zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion. Hitler suchte das Bündnis, weil er über Polen herfallen wollte. Die Fotos zeigen, wie gespannt und erkennbar unruhig er auf das Ergebnis der Gespräche Ribbentrops wartete. Politik pur - und Eva Braun war dabei.

Heike Görtemaker glaubt denn auch, die Frau an seiner Seite habe "Hitlers Weltanschauung und politische Auffassungen unkritisch geteilt". Dafür sprechen in der Tat schon die Umstände. Eva Braun verbrachte von ihren insgesamt 33 Lebensjahren fast die Hälfte mit fanatischen Nationalsozialisten.

Bekanntlich hat Hitler 1939 vor dem Reichstag sogar öffentlich von der Vernichtung des europäischen Judentums gesprochen, und selbst in seinem zweiten Testament, das er kurz vor seinem Selbstmord verfasste, beschimpfte er noch wüst seine Opfer. Kaum zu glauben, dass Eva Braun die dazwischenliegenden 2280 Tage mit ihm ausgehalten hätte, wenn sie nicht ebenfalls Antisemitin gewesen wäre. Ob sie in irgendeiner Weise versucht hat, auch Einfluss zu nehmen, wird sich allerdings wohl nie klären lassen.

Braun war loyal bis in den Tod, und es war diese bedingungslose Loyalität, die Hitler vermutlich mehr als alles andere an ihr schätzte. "Nur noch Fräulein Braun und mein Schäferhund sind mir treu und gehören zu mir", soll er zum Ende des Krieges hin geklagt haben, als Europa in Trümmern lag und der Mord an den europäischen Juden bereits größtenteils vollzogen war.

Da hatte Braun längst den Entschluss gefasst, beim "Führer" zu bleiben. Sie ließ sich noch an der Pistole ausbilden, als die Rote Armee bereits in Berlin stand. "Wir kämpfen hier bis zum letzten", schrieb sie am 22. April aus dem Führerbunker an ihre engste Freundin: "Ich sterbe so wie ich gelebt habe. Schwer fällt es mir nicht."

Laut Amtsgericht Berchtesgaden starb Eva Braun am 30. April 1945 um 15.28 Uhr; sie hatte eine Kapsel mit Zyankali zerbissen. Hitler folgte zwei Minuten später.

Die Legendenbildung konnte beginnen

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